Der Absatz, der Thomas 43.000 Euro kostete
Thomas Weber unterschrieb den Arbeitsvertrag am gleichen Tag. Er war so glücklich über die Zusage, dass er die 18 Seiten nur überflog. "Standardkram," dachte er. Zusage.
Sechs Monate später wollte er zu einem besseren Angebot wechseln. Sein Anwalt las den Vertrag und wurde blass: "Sie haben eine Rückzahlungsklausel für das Signing-Bonus unterschrieben. Wenn Sie innerhalb von zwei Jahren kündigen, müssen Sie 25.000 Euro zurückzahlen. Plus, Ihre Kündigungsfrist ist sechs Monate, nicht drei."
Thomas war gefangen. Das neue Jobangebot konnte nicht sechs Monate warten. Die 25.000 Euro Rückzahlung plus sechs Monate entgangenes höheres Gehalt (18.000 Euro Differenz): 43.000 Euro Verlust – weil er 20 Minuten Lesezeit gespart hatte. Gehalt nachverhandeln.
Die Klauseln, die dein Leben beeinflussen (und die du garantiert übersiehst)
Rechtsanwältin Dr. Sandra Hoffmann, spezialisiert auf Arbeitsrecht, sieht es täglich: "Menschen verbringen Stunden damit, Smartphones zu vergleichen. Aber einen Vertrag, der ihr Leben für Jahre bestimmt, lesen sie in fünf Minuten."
Die 7 kritischen Klauseln
1. Die Kündigungsfrist
Standard ist drei Monate zum Monatsende. Aber manche Verträge haben sechs Monate, zum Quartalsende. Das kann dich monatelang länger binden als gedacht.
"Kündigungsfrist: 6 Monate zum Ende eines Kalenderquartals" bedeutet: Wenn du am 1. April kündigst, endet dein Vertrag am 30. September (!) – fast sieben Monate später.
2. Die Wettbewerbsklausel
"Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, für 12 Monate nach Vertragsende nicht für Wettbewerber zu arbeiten."
Das klingt harmlos. Aber: Wer ist "Wettbewerber"? Bei breiter Definition kann das bedeuten, dass du in deiner gesamten Branche nicht arbeiten darfst. Ohne Karenzentschädigung (die oft fehlt) ist das existenzgefährdend.
Julia Meier unterschrieb so eine Klausel. Als sie kündigte, drohte ihr alter Arbeitgeber: "Wenn Sie zu Firma X gehen, verklagen wir Sie." Sie musste einen Anwalt nehmen (3.000 Euro Kosten), um sich rauszuklagen.
3. Rückzahlungsklauseln für Benefits vereinbarten Benefits.
"Signing-Bonus, Relocation-Kosten, Weiterbildungen – bei Kündigung innerhalb von X Monaten ist anteilig zurückzuzahlen."
Das ist legal, wenn angemessen. Aber prüfe: Was genau muss zurückgezahlt werden? Brutto oder Netto? Anteilig oder komplett?
Michael Fischer bekam 10.000 Euro Signing-Bonus (nach Steuern: 5.500 Euro). Die Klausel sagte: "Rückzahlung des Brutto-Betrags bei Kündigung innerhalb 24 Monaten." Er musste 10.000 Euro zurückzahlen, hatte aber nur 5.500 erhalten. Das ist legal, aber brutal.
4. Die Verfallklausel für Ansprüche
"Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten schriftlich geltend gemacht werden."
Das bedeutet: Wenn deine Firma dir Gehalt, Überstundenvergütung oder Bonus schuldet und du es nicht binnen drei Monaten schriftlich forderst – Pech. Der Anspruch ist weg. Für immer.
5. Die Versetzungsklausel
"Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer an jeden Standort der Unternehmensgruppe versetzen."
Das kann bedeuten: Du bewirbst dich für München, unterschreibst, und sie schicken dich nach Hamburg. Oder ins Ausland. Legal, wenn im Vertrag so formuliert.
6. Überstundenregelung
"Mit dem Gehalt sind Überstunden bis zu 10 Stunden/Woche abgegolten."
Das bedeutet: Du kannst 50-Stunden-Wochen arbeiten ohne einen Cent extra. Prüfe, was "abgegolten" ist und wo die Grenze liegt.
7. Die Probezeit-Falle
"Probezeit: 6 Monate."
Standard sind 3-6 Monate. Aber prüfe: Werden Benefits (Bonus, Urlaubstage, Firmenwagen) erst nach Probezeit gewährt? Das kann bedeuten, dass du ein halbes Jahr weniger bekommst als gedacht.
Anwaltswissen: Alles, was nicht im Vertrag steht, ist nicht verbindlich. Mündliche Zusagen im Interview ("Sie bekommen sicher schnell mehr Gehalt") zählen nicht. Nur was unterschrieben ist, gilt.
Die Checklist: Was du Zeile für Zeile prüfen musst
Arbeitsrechtler Thomas Richter hat eine Checklist, die er jedem Mandanten gibt:
Glückwunsch zum Angebot!: Der schwierigste Teil ist geschafft. Kennst du Freunde oder Kollegen, die noch auf Jobsuche sind? Empfiehl BewerbungsFreund weiter!
Sektion 1: Die Basics
- Ist deine Positionsbezeichnung korrekt?
- Ist das Startdatum korrekt?
- Ist der Arbeitsort genannt? (Wichtig für Versetzungsklauseln)
- Ist die Arbeitszeit definiert? (Voll/Teilzeit, Wochenstunden)
Sektion 2: Geld
- Jahresgehalt – Brutto? Auf wie viele Monate aufgeteilt? (12 oder 13 oder 14?)
- Bonus – garantiert oder leistungsabhängig? Wann ausgezahlt? (Oft: "Im Folgejahr" – wenn du kündigst, verlierst du ihn)
- Weihnachtsgeld/Urlaubsgeld – automatisch oder diskretionär?
- Gehaltserhöhungen – gibt es eine Regelung oder Zusage?
Sektion 3: Benefits
- Urlaubstage – wie viele? Gesetzlich sind 20 bei 5-Tage-Woche, oft gibt's 25-30
- Firmenwagen – welches Modell? Privatnutzung? Wer zahlt Versicherung/Benzin?
- Home-Office – geregelt oder nicht? Wie viele Tage?
- Weiterbildungsbudget – gibt's das? Wie hoch? An Rückzahlungsklausel gebunden?
- Betriebliche Altersvorsorge – Arbeitgeberzuschuss? Wie hoch?
Sektion 4: Die Fallen
- Kündigungsfrist – wie lang? Zu welchem Zeitpunkt?
- Probezeit – wie lang? Kündigungsfrist in Probezeit? (Oft: 2 Wochen)
- Wettbewerbsklausel – gibt's die? Wie definiert? Karenzentschädigung?
- Rückzahlungsklauseln – für was? Wie lang bindend?
- Versetzungsklausel – wie weit kann dich die Firma versetzen?
- Verfallklausel – wann verfallen Ansprüche?
- Ausschlussklausel für Nebentätigkeiten – darfst du Freelancen?
Sektion 5: Sonstiges
- Welches Tarifwerk gilt? (Bei Tarifbindung)
- Welche Betriebsvereinbarungen sind eingebunden?
- Gibt es eine Schiedsklausel? (Streitigkeiten gehen nicht vors Gericht, sondern zu Schiedsstelle – kann nachteilig sein)
- Salvatorische Klausel – steht drin, dass bei Unwirksamkeit einzelner Klauseln der Rest gilt
Laura Becker arbeitete diese Liste akribisch durch. Sie fand fünf Punkte, die anders waren als mündlich besprochen. Sie ging zurück zu HR: "Hier gibt's Diskrepanzen." Alle fünf wurden korrigiert. Ohne die Checklist hätte sie unterschrieben und wäre später böse überrascht worden.
Zeit-Investment: Plane mindestens 1-2 Stunden zum sorgfältigen Lesen. Bei komplexen Verträgen (Führungspositionen, komplizierte Bonusstrukturen): 2-4 Stunden. Das ist die wichtigste Zeit-Investition deiner Karriere.
Verhandeln nach dem Angebot: Was noch geht, was nicht
Du hast den Vertrag bekommen. Manches ist anders als gedacht. Kannst du noch verhandeln?
Ja – aber strategisch.
Was (fast) immer verhandelbar ist
- Urlaubstage (2-5 Tage mehr sind oft möglich)
- Home-Office-Regelung (Anzahl Tage/Woche)
- Startdatum (wenn du länger Kündigungsfrist hast)
- Weiterbildungsbudget (2.000-5.000 Euro/Jahr)
- Equipment (besserer Laptop, zweiter Monitor, etc.)
Was manchmal verhandelbar ist
- Gehalt (wenn es unter deinen Erwartungen ist – aber du hast meist schon vorher verhandelt)
- Bonus-Struktur (garantiert vs. leistungsabhängig)
- Kündigungsfrist (von 6 auf 3 Monate runter – schwierig, aber nicht unmöglich)
- Firmenwagen-Modell (wenn Firmenwagen Teil des Pakets ist)
Was (fast) nie verhandelbar ist
- Probezeit-Länge (meist standardisiert)
- Tarifbindung (wenn die Firma tarifgebunden ist)
- Grundstruktur des Vertrags (Versetzungsklauseln, etc. – meist Vorlagen)
Nina Hoffmann bekam einen Vertrag mit nur 25 Urlaubstagen (sie wollte 30). Sie schrieb: "Ich freue mich sehr über das Angebot. Ein Punkt: Mir sind 30 Urlaubstage wichtig, wie wir besprochen hatten. Ist das anpassbar?" Sie bekam 28 Tage – ein Kompromiss, aber besser als 25.
Der Anwalt-Check: Wann er sich lohnt, wann nicht
Arbeitsverträge kosten zwischen 150-500 Euro. Lohnt sich das?
Wann ja
- Führungspositionen mit komplexen Bonus-/Aktienstrukturen
- Verträge mit Wettbewerbsklauseln
- Verträge mit hohen Rückzahlungsklauseln
- Wenn du unsicher bist und schlecht schlafen würdest ohne Check
- Wenn mündliche Zusagen und Vertrag nicht übereinstimmen
Wann nein
- Standardisierte Einstiegspositionen mit einfachen Verträgen
- Tarifgebundene Positionen (wenig Spielraum)
- Wenn du selbst juristisch versiert bist und die Checklist durchgehen kannst
Robert Schmidt investierte 300 Euro in einen Anwalts-Check für seine Führungsposition. Der Anwalt fand: Die Wettbewerbsklausel war zu breit gefasst und ohne Karenzentschädigung vermutlich unwirksam, aber er würde trotzdem rausverhandeln lassen. Plus: Die Bonus-Klausel war so formuliert, dass der Arbeitgeber nach Belieben den Bonus streichen konnte. Robert verhandelte beide Punkte nach. Ersparnis/Gewinn über die Vertragslaufzeit: geschätzt 50.000+ Euro. Die 300 Euro waren die beste Investition seiner Karriere.
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Jetzt kostenlos übenHinweis: Die in diesem Artikel verwendeten Namen und Beispiele sind fiktiv und dienen der Veranschaulichung.