Wenn das Interview zur Führungsprobe wird
Robert hatte 15 Jahre Berufserfahrung, davon acht als Teamleiter. Seine fachliche Kompetenz war unbestritten. Als er sich auf eine Position als Abteilungsleiter bewarb, dachte er: "Mit meiner Erfahrung wird das kein Problem."
Im Interview wurde er mit Fragen konfrontiert, die er nicht erwartet hatte: "Erzählen Sie von einer Situation, wo Sie einen Mitarbeiter entlassen mussten." – "Wie gehen Sie mit Konflikten zwischen Teammitgliedern um?" – "Was würden Sie in den ersten 100 Tagen tun?"
Robert improvisierte. Seine Antworten waren vage, theoretisch, ohne konkrete Beispiele. Die Geschäftsführerin notierte: "Fachlich stark, aber Führungskompetenzen nicht überzeugend dargestellt." Die Absage kam drei Tage später. STAR-Methode.
Seine ehemalige Kollegin Sabine bewarb sich sechs Monate später auf dieselbe Position. Sie hatte nur fünf Jahre Führungserfahrung – weniger als Robert. Aber sie hatte verstanden: Führungskräfte-Interviews sind anders. Sie bereitete sich gezielt auf Leadership-Fragen vor, hatte konkrete Beispiele parat und konnte ihre Führungsphilosophie klar artikulieren.
Sabine bekam die Zusage. Nicht weil sie erfahrener war – sondern weil sie besser kommunizieren konnte, was Führung für sie bedeutet.
Was Führungskräfte-Interviews von normalen Gesprächen unterscheidet
Der Prüfungsmaßstab ist höher
Als Führungskraft repräsentierst du das Unternehmen. Du triffst Entscheidungen, die Karrieren und Budgets beeinflussen. Entsprechend kritischer wird geprüft.
Personalberaterin Claudia erklärt: "Bei Führungspositionen prüfen wir nicht nur Fachkompetenz, sondern strategisches Denken, Entscheidungsfähigkeit, emotionale Intelligenz und kulturelle Passung. Ein schwaches Interview kann nicht durch einen starken Lebenslauf ausgeglichen werden."
Die Interviewpartner sind oft erfahrener
Bei Führungspositionen interviewst du häufig mit C-Level: Geschäftsführung, Vorstand, erfahrene Senior-Manager. Diese Menschen haben hunderte Interviews geführt. Sie erkennen Floskeln, Unsicherheit und mangelnde Vorbereitung sofort.
Verhaltensbeispiele sind Pflicht, nicht Kür
In Entry-Level-Interviews kannst du manchmal mit Theorie durchkommen. Bei Führungspositionen nicht. Jede Antwort braucht ein konkretes Beispiel aus deiner Führungserfahrung.
Führungskräfte-Interviews testen nicht, ob du führen kannst – sie testen, WIE du führst. Deine Führungsphilosophie muss klar, authentisch und durch Beispiele belegt sein.
Die 7 Kernkompetenzen, die geprüft werden
1. Strategisches Denken: Der Blick aufs große Ganze
Was geprüft wird: Denkst du operativ oder strategisch? Siehst du nur dein Team oder das gesamte Unternehmen?
Typische Fragen:
- "Wo sehen Sie unsere Abteilung in drei Jahren?"
- "Was wären Ihre Prioritäten in den ersten 100 Tagen?"
- "Wie würden Sie unsere Marktposition verbessern?"
Schlechte Antwort: "Ich würde erst mal das Team kennenlernen und dann schauen."
Gute Antwort: "Basierend auf meiner Recherche sehe ich drei strategische Prioritäten: Erstens müssen wir die Digitalisierung unserer Prozesse vorantreiben – das würde Effizienz um geschätzte 20% steigern. Zweitens brauchen wir talentierte Mitarbeiter – ich würde ein Recruiting- und Entwicklungsprogramm aufsetzen. Drittens sehe ich Potenzial in der Kundenbindung – hier würde ich auf datengetriebene Ansätze setzen."
2. Mitarbeiterführung: Menschen entwickeln und motivieren
Was geprüft wird: Wie förderst du dein Team? Wie gehst du mit unterschiedlichen Persönlichkeiten um?
Typische Fragen:
- "Wie würden Ihre Mitarbeiter Ihren Führungsstil beschreiben?"
- "Erzählen Sie von einem Mitarbeiter, den Sie erfolgreich entwickelt haben."
- "Wie gehen Sie mit leistungsschwachen Teammitgliedern um?"
Beispiel einer starken Antwort:
"In meinem letzten Team hatte ich einen Junior-Entwickler, Max, der fachlich gut war, aber Schwierigkeiten mit Zeitmanagement hatte. Statt ihn zu kritisieren, habe ich ein wöchentliches 1-on-1 eingeführt, wo wir Prioritäten gemeinsam setzten. Ich gab ihm auch ein Zeitmanagement-Tool und coachte ihn darin. Nach drei Monaten hatte er seine Deadlines im Griff. Heute ist er Senior-Entwickler. Diese individuelle Förderung ist mir wichtig – jeder Mitarbeiter braucht unterschiedliche Unterstützung."
3. Entscheidungsfähigkeit: Auch unter Unsicherheit handeln
Was geprüft wird: Triffst du Entscheidungen oder zögerst du? Wie gehst du mit unvollständigen Informationen um?
Typische Fragen:
- "Erzählen Sie von einer schwierigen Entscheidung, die Sie treffen mussten."
- "Wie gehen Sie mit Entscheidungen um, wenn nicht alle Informationen verfügbar sind?"
- "Beschreiben Sie eine Situation, wo eine Ihrer Entscheidungen kritisiert wurde."
Die DREAD-Formel für Entscheidungs-Antworten:
Dilemma: Beschreibe die Situation
Reasoning: Erkläre deinen Denkprozess
Execution: Was hast du konkret getan?
Aftermath: Was war das Ergebnis?
Development: Was hast du gelernt?
4. Konfliktmanagement: Spannungen produktiv nutzen
Was geprüft wird: Vermeidest du Konflikte oder managst du sie? Kannst du schwierige Gespräche führen?
Typische Fragen:
- "Erzählen Sie von einem Konflikt in Ihrem Team, den Sie gelöst haben."
- "Wie gehen Sie mit einem Mitarbeiter um, der sich ständig beschwert?"
- "Was tun Sie, wenn zwei Teammitglieder nicht zusammenarbeiten können?"
Was Interviewer NICHT hören wollen:
- "Ich habe nie wirklich Konflikte." (unrealistisch)
- "Ich lasse sie das unter sich ausmachen." (Vermeidung)
- "Ich habe klare Ansagen gemacht." (autoritär ohne Empathie)
Was sie hören wollen: Ein Beispiel, wo du beide Seiten anhörst, Empathie zeigst, aber auch klar Grenzen setzt und Lösungen findest.
5. Change Management: Veränderung initiieren und begleiten
Was geprüft wird: Kannst du Teams durch Veränderungen führen? Wie gehst du mit Widerstand um?
Typische Fragen:
- "Erzählen Sie von einer Veränderung, die Sie in Ihrem Team implementiert haben."
- "Wie gehen Sie mit Mitarbeitern um, die sich gegen Veränderung wehren?"
- "Was würden Sie in den ersten Monaten hier verändern?"
Christina erzählte von der Einführung eines neuen Projektmanagement-Tools: "Anfangs gab es massiven Widerstand. Statt das Tool einfach anzuordnen, habe ich Workshops organisiert, Key User identifiziert und Quick Wins kommuniziert. Nach drei Monaten war die Akzeptanz bei 90%. Der Schlüssel war: Menschen mitnehmen, nicht überfahren."
Change-Beispiele zeigen deine Fähigkeit, nicht nur zu führen, sondern auch zu überzeugen, zu moderieren und Widerstände produktiv zu nutzen.
6. Business Acumen: Unternehmerisch denken
Was geprüft wird: Verstehst du das Geschäft? Denkst du in ROI, Kosten-Nutzen, strategischen Zielen?
Typische Fragen:
- "Wie würden Sie die Effizienz Ihrer Abteilung um 20% steigern?"
- "Erzählen Sie von einem Projekt, wo Sie Budgetverantwortung hatten."
- "Wie priorisieren Sie, wenn Budget begrenzt ist?"
Hier trennt sich Management von Leadership: Manager verwalten. Leader denken unternehmerisch.
7. Kulturelle Passung: Führen im Kontext
Was geprüft wird: Passt dein Führungsstil zur Unternehmenskultur?
In einem hierarchischen Konzern brauchst du anderen Stil als in einem flachen Start-up. In konservativen Branchen anders als in kreativen Agenturen.
Die Frage hinter der Frage: "Wie würden Sie unsere Kultur beschreiben?" testet nicht nur dein Wissen – sondern ob du dich damit identifizieren kannst.
Übung macht den Meister: Trainiere diese Technik mit KI-Feedback. Du erhältst sofort Feedback zu deinen Antworten.
Die 10 häufigsten Führungsfragen – und wie du sie meisterst
Frage 1: "Was macht für Sie gute Führung aus?"
Was geprüft wird: Hast du eine klare Führungsphilosophie? Ist sie authentisch oder auswendig gelernt?
Starke Antwort-Struktur:
"Für mich basiert gute Führung auf drei Säulen: Erstens Klarheit – Mitarbeiter müssen wissen, wohin die Reise geht und warum. Zweitens Empowerment – ich glaube an Vertrauen und Eigenverantwortung statt Mikromanagement. Drittens Entwicklung – ich sehe meine Aufgabe darin, Menschen besser zu machen als sie waren, als sie zu mir kamen. Konkret bedeutet das: klare Ziele setzen, Freiraum geben, regelmäßiges Feedback und individuelle Förderung."
Frage 2: "Beschreiben Sie Ihren Führungsstil"
Was geprüft wird: Kennst du dich selbst? Bist du flexibel oder dogmatisch?
Vermeide Labels: "Ich bin ein demokratischer Führer" klingt nach Lehrbuch.
Besser: Beschreibe Verhalten + Flexibilität
"Mein Grundansatz ist kooperativ – ich treffe Entscheidungen nicht im Elfenbeinturm, sondern hole Input vom Team. Gleichzeitig bin ich in Krisen direktiver, weil klare Ansagen dann wichtiger sind als Konsens. Und bei erfahrenen Mitarbeitern bin ich eher Coach als Manager. Mein Stil passt sich der Situation und den Menschen an."
Frage 3: "Wie delegieren Sie?"
Was geprüft wird: Vertraust du deinem Team? Oder bist du Mikromanager?
Starkes Beispiel:
"Ich delegiere nach Kompetenz und Entwicklungsstand. Bei erfahrenen Mitarbeitern delegiere ich Ergebnisse, nicht Aufgaben – ich sage 'was', nicht 'wie'. Bei Junioren bin ich präsenter und gebe mehr Struktur. Wichtig ist: Ich delegiere auch unangenehme Aufgaben, nicht nur die langweiligen. Und ich checke regelmäßig ein, ohne zu kontrollieren – das ist der Unterschied."
Frage 4: "Wie gehen Sie mit Fehlern um – Ihren eigenen und denen Ihres Teams?"
Was geprüft wird: Förderst du eine gesunde Fehlerkultur? Bist du selbstkritisch?
Die zwei Ebenen der Antwort:
Eigene Fehler: "Ich kommuniziere Fehler transparent. Letztes Jahr habe ich eine Deadline falsch eingeschätzt. Ich habe das sofort gegenüber meinem Team und dem Management kommuniziert, Alternativen vorgeschlagen und das Projekt neu geplant. Fehler verstecken ist keine Option."
Teamfehler: "Wenn ein Teammitglied einen Fehler macht, frage ich zuerst: Was können wir daraus lernen? Bestrafung demotiviert. Lernen motiviert. Natürlich gibt es Konsequenzen bei wiederholten Fehlern – aber der erste Schritt ist immer: Verstehen, nicht bestrafen."
Frage 5: "Wie motivieren Sie Ihr Team?"
Was geprüft wird: Verstehst du intrinsische vs. extrinsische Motivation?
Vermeide Klischees: "Ich motiviere durch Teamevents" ist oberflächlich.
Besser: Zeige Differenzierung
"Motivation ist individuell. Manche brauchen Anerkennung, andere Autonomie, wieder andere Entwicklungsperspektiven. Ich führe regelmäßig 1-on-1s, um herauszufinden, was jeden antreibt. Dann schaffe ich Rahmenbedingungen: Autonomie für Erfahrene, klare Ziele für Strukturliebende, Entwicklungschancen für Ambitionierte. Einheitslösungen funktionieren nicht."
Frage 6: "Erzählen Sie von Ihrem größten Führungsfehler"
Was geprüft wird: Bist du selbstreflektiert? Lernst du aus Fehlern?
Die Struktur: Fehler + Konsequenz + Lernen + Heute anders
"In meiner ersten Führungsposition habe ich einen Mitarbeiter zu lange halten wollen, obwohl klar war, dass er nicht passt. Ich dachte, Geduld zahlt sich aus. Das Ergebnis: Das Team litt, weil ein Member nicht performte. Ich habe gelernt: Schnelles, faires Handeln ist besser als langes Zögern. Heute adressiere ich Performance-Probleme früher, klar und lösungsorientiert."
Die Vorbereitung: Der 5-Punkte-Plan für Führungskräfte-Interviews
1. Erstelle dein Leadership-Portfolio
Sammle 10-15 konkrete Führungsbeispiele, kategorisiert nach:
- Erfolgreiche Projekte
- Mitarbeiterentwicklung
- Konfliktlösung
- Schwierige Entscheidungen
- Change Management
- Fehler und Learnings
Formuliere sie nach STAR: Situation, Task, Action, Result.
2. Definiere deine Führungsphilosophie
Beantworte schriftlich für dich:
- Was macht für mich gute Führung aus?
- Welche Werte leiten mein Handeln?
- Wie gehe ich mit Macht und Verantwortung um?
- Was ist mir in der Mitarbeiterentwicklung wichtig?
Diese Klarheit gibt dir Selbstsicherheit im Interview.
3. Recherchiere die Führungskultur des Unternehmens
- Wie führt man dort? (LinkedIn-Profile von Führungskräften checken)
- Was wird in Stellenanzeigen betont? (agil, klassisch, innovativ?)
- Was sagen Mitarbeiterbewertungen über Führung?
4. Bereite strategische Fragen vor
Stelle Fragen, die dich als strategischen Denker positionieren:
- "Welche strategischen Prioritäten hat die Abteilung in den nächsten 12 Monaten?"
- "Was sind die größten Herausforderungen, denen die Führung hier gegenübersteht?"
- "Wie würden Sie die aktuelle Teamdynamik beschreiben?"
- "Was hat mein Vorgänger gut gemacht – und was könnte besser laufen?"
5. Übe mit Mock-Interviews
Führungsfragen sind komplex. Übe mit jemandem, der selbst Führungserfahrung hat. Videoaufnahmen helfen, Körpersprache und Wirkung zu checken.
Der Unterschied zwischen Management und Leadership
Im Interview wird oft geprüft: Bist du Manager oder Leader? Der Unterschied:
Manager:
- Verwalten Prozesse
- Setzen Vorgaben um
- Fokus auf Effizienz
- Kontrollieren Ergebnisse
Leader:
- Gestalten Zukunft
- Inspirieren Menschen
- Fokus auf Vision
- Entwickeln Potenziale
Top-Kandidaten sind beides: Sie managen operativ UND führen strategisch.
Fazit: Führung zeigt sich im Gespräch
Sabine bekam die Zusage, weil sie ihre Führungskompetenz klar kommunizieren konnte. Sie hatte Beispiele, eine Philosophie und Selbstreflexion.
Robert bekam die Absage, weil Erfahrung allein nicht reicht. Wer nicht artikulieren kann, wie er führt, überzeugt nicht.
Führungskräfte-Interviews sind härter, tiefer, kritischer. Aber sie sind auch eine Chance: Eine Chance zu zeigen, wie du denkst, wie du Menschen entwickelst, wie du Entscheidungen triffst.
Bereite dich vor wie auf eine Prüfung. Sammle Beispiele. Kenne deine Philosophie. Reflektiere deine Erfahrungen.
Führung beginnt nicht erst im Job – sie zeigt sich bereits im Interview.
Wie Sabine am Anfang. Sie war vorbereitet. Und sie bekam die Chance zu führen.
Bereit, deine Interview-Skills zu testen?
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Jetzt kostenlos übenHinweis: Die in diesem Artikel verwendeten Namen und Beispiele sind fiktiv und dienen der Veranschaulichung.