Als Rechtsanwaltsfachangestellte/r bist du das organisatorische Rückgrat der Kanzlei – und oft die erste Anlaufstelle für Mandanten. Im Bewerbungsgespräch geht es weniger um Logikfragen als um Zuverlässigkeit, Fachkompetenz und Diskretion.
Insider-Tipp: Informiere dich vor dem Gespräch über die Schwerpunkte der Kanzlei. Familienrecht, Strafrecht, Wirtschaftsrecht – jedes Fachgebiet hat eigene Anforderungen. Zeige, dass du dich mit dem Rechtsgebiet auseinandergesetzt hast.
Fristenkontrolle: Dein wichtigstes Thema
Ein Fristversäumnis kann für Mandanten existenzbedrohend sein – und für die Kanzlei ein Haftungsfall. Arbeitgeber wollen sehen, dass du das verstehst und ein wasserdichtes System hast:
- Digitale Fristenkontrolle: Kanzleisoftware mit automatischen Erinnerungen
- Vieraugenprinzip: Fristen werden doppelt geprüft und eingetragen
- Vorfristen: Eigene Erinnerungen vor dem eigentlichen Ablauf
- Notfristen: Besondere Aufmerksamkeit bei Rechtsmittelfristen
Häufiger Fehler: "Ich bin organisiert" reicht nicht. Erkläre dein konkretes System zur Fristenüberwachung. Pauschale Aussagen wirken unprofessionell.
RVG und Gebührenrecht
Die Abrechnung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) ist komplex – und eine deiner Kernaufgaben. Zeige, dass du:
- Gegenstandswerte berechnen kannst
- Gebührenrahmen kennst und anwendest
- PKH/VKH-Abrechnungen beherrschst
- Mit Kostenfestsetzungen umgehen kannst
Bereite dich auf Wissensfragen vor: "Wie berechnen Sie die Geschäftsgebühr bei einem Streitwert von 10.000€?" – solche Fragen sind möglich.
Mandantenkommunikation
Du bist oft die erste Stimme, die Mandanten hören. Zeige professionelle Freundlichkeit und Deeskalationsfähigkeiten:
- Aufgebrachte Mandanten: Zuhören, Verständnis zeigen, sachlich bleiben
- Auskunft vs. Rechtsberatung: Die Grenze kennen und einhalten
- Terminkoordination: Effizient und mandantenfreundlich
- Diskretion: Keine Infos über Mandatsdetails am Telefon ohne Identitätsprüfung
Digitale Kompetenz ist Pflicht
Die Kanzleiwelt wird digital. Zeige Erfahrung mit:
- Kanzleisoftware: RA-Micro, Datev AnNoText, ReNoStar
- beA: Besonderes elektronisches Anwaltspostfach (Pflicht seit 2022)
- E-Akte: Digitale Aktenführung wird Standard
- Dokumentenmanagement: Scannen, Indexieren, Versionierung
Gehaltsverhandlung: Regionale Unterschiede
Das Gehalt variiert stark nach Region und Kanzleigröße:
- Einstieg: ca. 28.000-32.000€/Jahr
- Mit Erfahrung: ca. 32.000-40.000€/Jahr
- In Großkanzleien/München: bis 50.000€/Jahr möglich
- Mit Rechtsfachwirt-Weiterbildung: 10-20% mehr Gehalt
Verhandlungstipp: Frag nach Weiterbildungsförderung (Rechtsfachwirt), Fahrtkostenzuschuss und flexiblen Arbeitszeiten. Viele Kanzleien bieten diese Benefits auch ohne hohe Gehälter.
Typischer Ablauf im Kanzlei-Interview
Bewerbungsgespräche in Kanzleien sind meist sachlich und direkt:
- Begrüßung und Smalltalk: Kurz und höflich – Zeit ist in Kanzleien kostbar
- Selbstvorstellung: Fokus auf relevante Erfahrung und Fachkenntnisse
- Fachfragen: Fristen, RVG, ZPO-Grundlagen möglich
- Organisationsfragen: Wie gehst du mit Stress und mehreren Anwälten um?
- Deine Fragen: Kanzleisoftware, Arbeitszeiten, Spezialisierung
Übung macht den Meister: Trainiere Fragen zu Fristenkontrolle, Mandantenkommunikation und Kanzleiorganisation. Die Fragen passen sich an deine Antworten an.
Fragen, die du stellen solltest
Gute Fragen zeigen, dass du den Kanzleialltag verstehst:
- "Welche Kanzleisoftware nutzen Sie und wie digital ist die Aktenführung?"
- "Wie viele Anwälte betreue ich und wie ist die Zusammenarbeit organisiert?"
- "Gibt es die Möglichkeit zur Weiterbildung als Rechtsfachwirt?"
- "Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus – Mandantenkontakt vs. Back-Office?"
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