Drei Kandidaten, eine Frage, drei völlig unterschiedliche Schicksale
Um 9:00 Uhr saß Benjamin Fischer vor der Personalchefin von Siemens. Die Frage kam: "Warum wollen Sie Ihren aktuellen Arbeitgeber verlassen?" negative Kritik am alten Arbeitgeber.
Benjamin explodierte förmlich: "Mein Chef ist inkompetent, die Kollegen sind faul, die Bezahlung ist ein Witz und die Firma hat keine Zukunft. Ich muss da einfach raus."
Das Gespräch dauerte noch 20 Minuten. Die Entscheidung fiel in der ersten Minute. Absage.
Um 11:00 Uhr kam Sabrina Hoffmann. Dieselbe Frage.
"Oh, eigentlich gibt es keinen besonderen Grund. Ich dachte nur, ich schaue mich mal um. Es ist alles okay bei meinem Arbeitgeber."
Die Personalchefin runzelte die Stirn. Wenn alles okay ist – warum bewirbt sie sich dann? Sabrina wirkte unmotiviert, planlos. Absage.
Um 14:00 Uhr saß Markus Wagner im selben Stuhl. Wieder die Frage.
"Ich schätze meine aktuelle Firma sehr – sie hat mir viel beigebracht. Aber nach fünf Jahren habe ich meine Entwicklungsmöglichkeiten dort ausgeschöpft. Es gibt keine Position mehr, in die ich hineinwachsen kann. Ich suche eine Umgebung, wo ich mehr strategische Verantwortung übernehmen und an größeren Projekten arbeiten kann. Ihre Stellenausschreibung hat exakt diese Chance beschrieben."
Die Personalchefin nickte. Das klang nachvollziehbar, professionell, motivierend. Markus bekam die Stelle.
Drei Kandidaten. Ähnliche Situationen. Völlig unterschiedliche Formulierungen. Nur einer verstand die Regeln.
Die drei goldenen Regeln für Kündigungsgründe
Regel 1: Niemals negativ über den aktuellen Arbeitgeber
Auch wenn dein Chef ein Tyrann ist. Auch wenn deine Kollegen unmöglich sind. Auch wenn das Unternehmen im Chaos versinkt.
Schweige.
Warum? Weil Personaler eine einfache Frage haben: "Wenn du jetzt so über deinen Arbeitgeber redest – wie wirst du in drei Jahren über uns reden?"
Christina Meier machte diesen Fehler. Ihr Chef war wirklich schwierig – toxisch sogar. Im Interview ließ sie ihrem Frust freien Lauf. Zehn Minuten Tirade über Mikromanagement, Inkompetenz, mangelnde Wertschätzung.
Die Personalerin hörte nur: Diese Person ist negativ, konfliktfreudig, unloyal.
Christina verstand nicht, warum sie abgelehnt wurde. "Aber alles, was ich gesagt habe, war wahr!"
Ja. Aber Wahrheit ohne Diplomatie ist Karriereselbstmord.
Die Faustregel: Wenn du nichts Positives über deinen aktuellen Arbeitgeber sagen kannst, bleibe neutral. Nie negativ.
Regel 2: Habe einen nachvollziehbaren, zukunftsorientierten Grund
Die beste Kündigungsgrund-Formulierung ist keine Flucht von etwas – sondern eine Bewegung hin zu etwas. Dabei ist es wichtig, authentisch zu bleiben.
Vergleiche:
Schwach: "Ich will weg, weil ich nicht mehr zufrieden bin."
Stark: "Ich suche eine Position mit mehr strategischer Verantwortung."
Der erste Satz ist reaktiv – du fliehst. Der zweite ist proaktiv – du entwickelst dich.
Julia Schröder formulierte es perfekt: "Ich habe in meiner aktuellen Position alles erreicht, was möglich war. Ich habe drei erfolgreiche Projekte geleitet, ein Team aufgebaut und Prozesse etabliert. Jetzt bin ich bereit für den nächsten Schritt – eine Position, wo ich nicht nur umsetze, sondern auch strategisch mitgestalte."
Das ist nicht negativ. Das ist Ambition.
Regel 3: Verbinde den Kündigungsgrund mit der neuen Stelle
Der beste Kündigungsgrund ist kein allgemeiner Grund – sondern einer, der zeigt, warum genau diese Stelle perfekt ist.
Tobias Wagner: "Ich suche eine Position mit mehr Verantwortung" – okay, aber generisch.
Seine Konkurrentin Lisa Becker: "Ich suche eine Position mit mehr strategischer Verantwortung, wo ich agile Transformation nicht nur umsetze, sondern auch mitgestalte. Ihre Stellenausschreibung beschreibt genau diese Kombination aus Hands-on-Arbeit und strategischem Einfluss – das ist es, was ich suche."
Lisa hat ihren Kündigungsgrund direkt mit der neuen Chance verbunden. Das zeigt: Sie will nicht irgendwo weg. Sie will genau hier hin.
Die häufigsten Kündigungsgründe – und wie du sie formulierst
Grund 1: Fehlende Entwicklungsmöglichkeiten
Das ist der sicherste, professionellste Kündigungsgrund. Er zeigt Ambition ohne Negativität.
Falsch: "Es gibt keine Aufstiegschancen. Alle Positionen sind besetzt."
Richtig: "Ich habe in meiner aktuellen Rolle viel gelernt und erreicht. Nach [X] Jahren habe ich aber das Gefühl, dass ich mein Potenzial dort ausgeschöpft habe. Ich suche eine Position mit mehr [Verantwortung/strategischem Einfluss/Führungsaufgaben], die mir meine aktuelle Firma aufgrund ihrer Struktur nicht bieten kann."
Michael Hoffmann nutzte das erfolgreich: "Ich bin seit sechs Jahren im Unternehmen und habe mich vom Junior zum Senior Developer entwickelt. Die nächste logische Stufe wäre Tech Lead – aber diese Positionen sind auf Jahre besetzt. Ich will nicht warten, ich will mich jetzt weiterentwickeln."
Grund 2: Wunsch nach größeren Herausforderungen
Funktioniert, wenn du von einem kleineren zu einem größeren Unternehmen wechselst – oder umgekehrt. Branchenwechsel.
Falsch: "Mir ist langweilig. Die Arbeit ist zu einfach."
Richtig: "Ich schätze die Expertise, die ich in meiner aktuellen Position aufgebaut habe. Gleichzeitig merke ich, dass ich bereit bin für größere, komplexere Projekte. Ich möchte an [größeren Teams/internationaleren Projekten/komplexeren technischen Herausforderungen] arbeiten."
Sandra Krause wechselte von einem Mittelständler zu einem Konzern: "Ich habe in meiner aktuellen Firma ein Team von fünf Personen geleitet. Das war eine großartige Erfahrung. Aber ich möchte sehen, wie Projektmanagement im großen Maßstab funktioniert – mit mehreren Teams, internationalen Stakeholdern, strategischer Komplexität."
Grund 3: Kulturelle Passung / Werte
Heikel, aber möglich – wenn du es richtig formulierst.
Falsch: "Die Unternehmenskultur ist toxisch. Keiner hilft keinem."
Richtig: "Ich habe festgestellt, dass mir kollaborative, agile Arbeitsweisen besonders liegen. Mein aktueller Arbeitgeber arbeitet eher hierarchisch und prozessgetrieben – das ist nicht schlecht, aber es passt nicht optimal zu meiner Arbeitsweise. Ich suche ein Umfeld, wo cross-funktionale Zusammenarbeit und flache Hierarchien gelebt werden."
Felix Richter formulierte es so: "Ich komme aus einem sehr traditionellen, hierarchischen Umfeld. Ich habe dort viel über Struktur und Prozesse gelernt. Aber ich merke, dass ich in agileren, flexibleren Strukturen besser aufblühe. Ihre Beschreibung der Unternehmenskultur hat mich sofort angesprochen."
Grund 4: Gehalt
Wahrheit: Gehalt ist oft ein wichtiger Grund. Aber ihn direkt zu nennen, ist riskant.
Falsch: "Ich will mehr verdienen."
Besser: "Nach [X] Jahren Berufserfahrung und den Erfolgen, die ich erzielt habe, sehe ich eine Diskrepanz zwischen meiner Leistung und meiner Vergütung. Ich suche eine Position, die meine Expertise angemessen honoriert."
Am besten: Kombiniere Gehalt mit anderen Faktoren: "Ich suche eine Position, die sowohl inhaltlich als auch finanziell meiner Erfahrung und meinen Zielen entspricht."
Aber ehrlich: Wenn Gehalt dein Hauptgrund ist, fokussiere dich auf andere Gründe. Niemand stellt gerne Menschen ein, die nur wegen des Geldes kommen.
Grund 5: Branchenwechsel / inhaltliche Neuorientierung
Falsch: "Ich habe keine Lust mehr auf [Branche X]."
Richtig: "Ich habe in [Branche X] viel gelernt, merke aber, dass mich [Branche Y] schon immer mehr interessiert hat. Ich habe mich in meiner Freizeit intensiv damit beschäftigt [Beispiele nennen] und bin jetzt bereit, diesen Schritt zu gehen."
Nina Hoffmann wechselte von Automotive zu E-Health: "Ich habe zehn Jahre in der Automobilbranche gearbeitet und schätze die technische Tiefe. Aber ich suche Arbeit mit mehr gesellschaftlicher Relevanz. Gesundheitstechnologie vereint technische Herausforderung mit direktem Impact – das motiviert mich."
Grund 6: Standortwechsel / private Gründe
Falsch: "Ich ziehe um, weil meine Freundin da wohnt."
Richtig: "Aus privaten Gründen ziehe ich nach [Stadt]. Ich nutze diese Veränderung bewusst, um mich auch beruflich weiterzuentwickeln."
Halte private Details privat. Personaler wollen wissen, dass du aus nachvollziehbaren Gründen wechselst – aber sie brauchen nicht deine Lebensgeschichte.
Der beste Kündigungsgrund ist immer zukunftsorientiert: "Ich suche X" ist besser als "Ich fliehe vor Y".
Die schwierigen Fälle: Wenn die Wahrheit kompliziert ist
Fall 1: Du wurdest gekündigt
Das ist heikel. Aber verschweigen darfst du es nicht – Ehrlichkeit ist wichtig.
Falsch: "Ich wurde gefeuert, weil mein Chef ein Idiot ist."
Richtig: "Mein Arbeitgeber und ich haben uns einvernehmlich getrennt. Im Nachhinein verstehe ich, dass die Position nicht optimal zu meinen Stärken passte. Ich habe daraus gelernt und weiß jetzt genau, in welchem Umfeld ich am besten arbeite."
Daniel Vogel wurde gekündigt – wegen Umstrukturierung, nicht wegen Leistung. Er formulierte: "Im Zuge einer Umstrukturierung wurde meine Position abgebaut. Das gab mir die Chance, zu reflektieren, was ich wirklich will. Ich suche jetzt gezielt nach [X]."
Wenn es an deiner Leistung lag: Sei ehrlich, aber zeige, was du gelernt hast.
"Ich hatte in meiner letzten Position Schwierigkeiten, die Erwartungen zu erfüllen – im Nachhinein erkenne ich, dass die Aufgaben nicht zu meinen Stärken passten. Ich habe daraus gelernt und suche jetzt eine Position, wo ich meine Expertise in [X] voll einbringen kann."
Fall 2: Du bist noch in der Probezeit
Kurze Beschäftigungszeiten werfen Fragen auf. Beantworte sie proaktiv.
Falsch: "Es hat nicht gepasst."
Richtig: "Ich habe schnell gemerkt, dass die tatsächlichen Aufgaben deutlich von der Stellenbeschreibung abwichen. Die Position war administrativ fokussiert, ich hatte aber eine strategische Rolle erwartet. Anstatt frustriert zu bleiben, habe ich mich entschieden, aktiv nach der richtigen Passung zu suchen."
Fall 3: Du wechselst häufig
Wenn du alle zwei Jahre wechselst, wird das auffallen. Adressiere es proaktiv.
Falsch: "Ich hatte einfach Pech mit den Firmen."
Richtig: "Ich weiß, dass mein Lebenslauf einige Wechsel zeigt. In den ersten Jahren meiner Karriere war ich auf der Suche nach dem richtigen Umfeld. Jede Station hat mir geholfen zu verstehen, was ich will – und was nicht. Jetzt weiß ich genau, wo ich hingehöre, und ich suche eine langfristige Position."
Zeige Reflexion und Lernbereitschaft. Das wandelt eine Schwäche in Reife.
Übung macht den Meister: Trainiere diese Technik mit KI-Feedback. Du erhältst sofort Feedback zu deinen Antworten.
Was du nie sagen solltest: Die absoluten No-Gos
"Mein Chef ist inkompetent." – Du wirkst unloyal und konfliktfreudig.
"Die Kollegen sind alle faul." – Du wirkst arrogant und nicht teamfähig.
"Die Firma ist schlecht geführt." – Du klingst wie ein Besserwisser.
"Ich brauche mehr Geld." – Du wirkst nur geldmotiviert.
"Ich habe keinen besonderen Grund." – Du wirkst unmotiviert und planlos.
"Ich kann meinen Chef nicht ausstehen." – Persönliche Konflikte sind ein Warnsignal.
"Die Arbeit ist zu stressig." – Du wirkst belastungsarm.
"Ich will mehr Work-Life-Balance." – Kann als Faulheit interpretiert werden (auch wenn unfair).
Alles, was negativ, emotional oder unprofessionell klingt, ist tabu.
Die Vorbereitung: Wie du deine Antwort entwickelst
Laura Weber setzte sich eine Woche vor ihrem Interview hin und entwickelte ihre Kündigungsgrund-Antwort systematisch.
Schritt 1: Die Wahrheit aufschreiben
Sie schrieb ungefiltert auf, warum sie wirklich wechseln will: "Mein Chef mikromanagt, Kollegen sind unmotiviert, Gehalt ist zu niedrig, keine Entwicklungschancen, Projekte sind langweilig."
Schritt 2: Negatives streichen
Sie strich alles, was negativ oder emotional war: Chef, Kollegen, Gehalt.
Übrig blieb: Keine Entwicklungschancen, Projekte langweilig.
Schritt 3: Positiv umformulieren
"Keine Entwicklungschancen" → "Ich suche mehr Verantwortung und strategischen Einfluss"
"Projekte langweilig" → "Ich suche komplexere, herausforderndere Aufgaben"
Schritt 4: Mit neuer Stelle verbinden
"Ihre Stellenausschreibung beschreibt genau diese Kombination: strategische Verantwortung und anspruchsvolle Projekte."
Schritt 5: Laut üben
Laura sprach die Antwort zehn Mal laut aus. So klang sie im Interview natürlich und authentisch.
Ihre finale Antwort: "Ich schätze meine aktuelle Firma und was ich dort gelernt habe. Nach vier Jahren habe ich aber meine Entwicklungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Ich suche eine Position mit mehr strategischer Verantwortung und komplexeren Projekten. Ihre Stellenausschreibung beschreibt exakt diese Chance – das hat mich sofort angesprochen."
Professionell. Positiv. Überzeugend.
Die Nachfrage: Wenn Personaler tiefer bohren
Manchmal reicht die erste Antwort nicht. Personaler haken nach:
"Aber warum können Sie sich bei Ihrem aktuellen Arbeitgeber nicht weiterentwickeln?"
"Was genau fehlt Ihnen dort?"
"Haben Sie mit Ihrem Chef über diese Entwicklungswünsche gesprochen?"
Bleibe ruhig. Bleibe sachlich. Vertiefe deine Antwort, ohne negativ zu werden.
Markus Becker wurde so gefragt. Seine Antwort: "Ich habe mit meinem Vorgesetzten mehrfach über Entwicklungsmöglichkeiten gesprochen. Wir haben gemeinsam festgestellt, dass die Firma in ihrer aktuellen Größe und Struktur keine passende nächste Position für mich hat. Das ist niemandes Schuld – es ist einfach eine strukturelle Realität. Deshalb suche ich extern."
Sachlich. Neutral. Ohne Schuldzuweisung.
Was Benjamin, Sabrina und Markus heute wissen
Benjamin Fischer, der am Anfang über seinen Chef schimpfte, lernte die harte Tour. Nach fünf Absagen verstand er: Negativität verkauft nicht.
Bei seinem nächsten Interview hielt er sich zurück. Auf die Frage nach dem Kündigungsgrund antwortete er: "Ich habe bei meinem aktuellen Arbeitgeber viel gelernt, merke aber, dass ich bereit bin für mehr Verantwortung. Ich suche eine Position, wo ich nicht nur operative Arbeit leiste, sondern auch strategisch mitgestalten kann."
Keine Erwähnung seines Chefs. Keine Negativität. Nur Zukunftsorientierung. Er bekam die Stelle.
Sabrina Hoffmann, die "keinen besonderen Grund" hatte, verstand: Motivation muss greifbar sein. Bei ihrer nächsten Bewerbung hatte sie eine klare Geschichte: "Ich suche eine Position mit mehr internationalem Bezug. Meine aktuelle Firma ist sehr lokal fokussiert, ich möchte aber grenzüberschreitend arbeiten."
Plötzlich wirkte sie motiviert, zielstrebig. Sie bekam eine Zusage.
Markus Wagner, der von Anfang an richtig formulierte, weiß heute: "Der Kündigungsgrund ist keine Beichte. Es ist eine Gelegenheit, deine Story zu erzählen. Die Story, warum du der perfekte Kandidat für genau diese Stelle bist. Wenn du das verstehst, wird die Antwort einfach."
Und das ist die Wahrheit: Die Frage nach dem Kündigungsgrund ist nicht dein Feind. Sie ist deine Chance, zu zeigen, dass du weißt, was du willst – und dass du professionell genug bist, es richtig zu kommunizieren.
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Jetzt kostenlos übenHinweis: Die in diesem Artikel verwendeten Namen und Beispiele sind fiktiv und dienen der Veranschaulichung.