Der Moment der Entscheidung
Als Petra das Vertragsangebot von TechVision auf ihrem Bildschirm las, spürte sie die Anspannung. 78.000 Euro Jahresgehalt, flexible Arbeitszeiten, modernes Büro in München. Ein Traumjob. Doch zwischen ihr und diesem neuen Kapitel stand eine Aufgabe, die ihr Unbehagen bereitete: die Kündigung bei ihrem aktuellen Arbeitgeber, wo sie seit fünf Jahren als Projektleiterin arbeitete.
Die Kündigung beim alten Arbeitgeber ist mehr als eine Formalität. Sie ist der Abschluss eines Lebensabschnitts und gleichzeitig die Weichenstellung für deine berufliche Zukunft. Wie du diesen Schritt gehst, prägt nicht nur dein Verhältnis zum bisherigen Unternehmen, sondern auch deinen Ruf in der Branche. Dieser Artikel zeigt dir, wie du professionell kündigst, rechtliche Stolperfallen vermeidest und Brücken intakt lässt.
Wichtiger rechtlicher Hinweis: Die folgenden Informationen sind allgemeine Hinweise und ersetzen keine Rechtsberatung. Arbeitsrechtliche Regelungen können je nach Bundesland, Tarifvertrag und individuellem Arbeitsvertrag variieren. Bei wichtigen rechtlichen Entscheidungen (Kündigung, Vertragsverhandlungen, etc.) konsultiere bitte einen Fachanwalt für Arbeitsrecht oder deine Gewerkschaft.
Kündigungsfrist und rechtliche Grundlagen: Was du wissen musst
Bevor du auch nur ein Wort zu deinem Chef sagst, musst du die rechtlichen Rahmenbedingungen kennen. Nichts ist peinlicher – oder teurer – als eine unwirksame Kündigung.
Die gesetzliche Kündigungsfrist verstehen
Laut § 622 BGB beträgt die gesetzliche Kündigungsfrist vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats. Das ist die Basis. Aber Vorsicht: Dein Arbeitsvertrag kann längere Fristen vorsehen. Bei Markus, einem Senior Developer, stand im Vertrag eine dreimonatige Frist zum Quartalsende. Er hätte fast einen Fehler gemacht, als er zum 31. Mai kündigen wollte – stattdessen musste er bis zum 30. Juni durchhalten.
Prüfe diese Dokumente genau:
- Deinen individuellen Arbeitsvertrag (dort steht die verbindliche Kündigungsfrist)
- Eventuelle Betriebsvereinbarungen
- Tarifverträge, die für deine Branche oder deinen Betrieb gelten
- Zusatzvereinbarungen oder Änderungsverträge
Probezeit-Regelungen
Befindest du dich noch in der Probezeit, gelten andere Regeln. Die Kündigungsfrist beträgt dann normalerweise nur zwei Wochen zu jedem beliebigen Tag. Laura nutzte dies, als sie nach drei Monaten merkte, dass ihr neuer Job nicht passte. Sie kündigte am 10. April und war am 24. April raus – ohne Monatsende-Zwang. Start im neuen Job.
Besondere Kündigungsschutzregelungen
Manche Mitarbeiter genießen besonderen Kündigungsschutz. Das betrifft beispielsweise Schwangere, Schwerbehinderte oder Betriebsratsmitglieder. Auch wenn du kündigst und nicht gekündigt wirst, ist es wichtig, diese Situation im Hinterkopf zu behalten – sie kann die Verhandlungen über ein Aufhebungsvertragsalternative beeinflussen.
Rechne rückwärts: Wenn du am 1. September beim neuen Arbeitgeber starten willst und eine Kündigungsfrist von drei Monaten hast, musst du spätestens Ende Mai kündigen. Plane einen Puffer ein für Urlaub, Überstundenabbau oder unvorhergesehene Verzögerungen.
Das Kündigungsgespräch: Timing, Taktik und Tonfall
Die Art und Weise, wie du deine Kündigung kommunizierst, ist entscheidend. Petra hatte sich tagelang Gedanken gemacht, wie sie das Gespräch mit ihrer Vorgesetzten angehen sollte.
Der richtige Zeitpunkt
Wähle den Zeitpunkt strategisch. Montag morgens direkt nach dem Wochenende? Eher ungünstig. Freitag nachmittags vor dem Feierabend? Auch nicht ideal. Petra entschied sich für einen Dienstagvormittag – ruhig, professionell, mit genug Zeit für ein ordentliches Gespräch. Sie vereinbarte vorher einen Termin mit ihrer Chefin unter dem Betreff "Persönliches Gespräch" ohne weitere Details.
Vermeide diese Zeitpunkte:
- Direkt vor oder während stressiger Projektphasen oder Deadlines
- Während Betriebsversammlungen oder wichtiger Meetings
- In Gegenwart von Kollegen oder Kunden
- Via E-Mail oder Telefon als erste Kommunikation
Das persönliche Gespräch führen
Als Petra im Büro ihrer Vorgesetzten saß, war sie nervös, aber gut vorbereitet. "Frau Schneider, ich habe eine wichtige Mitteilung. Ich habe mich entschieden, mich beruflich zu verändern und werde meine Position hier zum 31. Oktober kündigen."
Klar. Direkt. Ohne Umschweife. Dann kam die Frage, die immer kommt: "Warum? Was ist passiert? Sind Sie unzufrieden?"
Petras Antwort war durchdacht: "Es geht nicht um Unzufriedenheit. Ich habe eine Chance bekommen, die sehr gut zu meinen langfristigen Karrierezielen passt. Die letzten fünf Jahre hier waren wertvoll, und ich bin dankbar für alles, was ich lernen durfte."
Positiv. Respektvoll. Nicht angreifbar.
Was du sagen solltest – und was nicht
Sage das:
- "Ich habe mich für eine neue berufliche Herausforderung entschieden."
- "Ich bin dankbar für die Zeit hier und die Entwicklungsmöglichkeiten."
- "Ich möchte einen reibungslosen Übergang sicherstellen."
- "Ich stehe für die Einarbeitung meiner Nachfolge gerne zur Verfügung."
Sage das NICHT:
- "Ehrlich gesagt war die Bezahlung hier immer zu niedrig." (Verbrennt Brücken)
- "Mein neuer Chef ist viel kompetenter." (Unnötige Beleidigung)
- "Die Projekte hier waren langweilig." (Unprofessionell)
- Details über deinen neuen Arbeitgeber (Kann rechtliche Probleme nach sich ziehen)
Die schriftliche Kündigung: Formvorschriften und Fehlerquellen
Das persönliche Gespräch ist wichtig, aber rechtlich bindend ist nur die schriftliche Kündigung. Und hier lauern Tücken.
Die Form muss stimmen
Eine Kündigung per E-Mail, WhatsApp oder PDF ist unwirksam. Du benötigst ein unterschriebenes Originaldokument auf Papier. Thomas, ein Marketing Manager, verschickte seine Kündigung zunächst als eingescanntes PDF – ein Fehler. Sein Arbeitgeber wies darauf hin, dass dies nicht rechtsgültig sei. Thomas musste das Dokument nachreichen, verlor wertvolle Zeit und wirkte unprofessionell.
Muster einer professionellen Kündigung
Eine rechtssichere Kündigung enthält diese Elemente:
Dein Name Deine Adresse Stadt, PLZ Firma XY GmbH Personalabteilung / Name des Vorgesetzten Straße und Hausnummer PLZ und Stadt [Ort], [Datum] Kündigung meines Arbeitsverhältnisses Sehr geehrte Damen und Herren, / Sehr geehrte/r Frau/Herr [Name], hiermit kündige ich mein Arbeitsverhältnis, das seit dem [Datum] besteht, ordentlich und fristgerecht zum [Datum]. Hilfsweise kündige ich zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Bitte bestätigen Sie mir den Erhalt dieser Kündigung sowie das Beendigungsdatum schriftlich. Ich bedanke mich für die Zusammenarbeit und wünsche dem Unternehmen weiterhin viel Erfolg. Mit freundlichen Grüßen [Handschriftliche Unterschrift] [Name in Druckbuchstaben]
Die "hilfsweise"-Klausel: Deine Absicherung
Der Satz "Hilfsweise kündige ich zum nächstmöglichen Zeitpunkt" ist Gold wert. Falls du dich bei der Kündigungsfrist verrechnet hast oder eine Sonderregelung übersehen hast, greift diese Formulierung. Die Kündigung wird dann automatisch zum nächsten rechtlich möglichen Termin wirksam. Petra nutzte diese Formulierung – und war froh darüber, als sich herausstellte, dass ihr Arbeitsvertrag eine versteckte Klausel über Kündigungstermine enthielt.
Zustellung: Der Beweis zählt
Übergib die Kündigung persönlich gegen Empfangsbestätigung oder versende sie per Einschreiben mit Rückschein. Sandra machte den Fehler, das Kündigungsschreiben einfach in den Briefkasten der Personalabteilung zu werfen. Wochen später gab es Streit über den Zustellungstermin – ohne Beweis stand sie schlecht da.
Profi-Tipp: Bringe zwei Ausfertigungen der Kündigung mit. Eine für den Arbeitgeber, eine für dich mit Empfangsvermerk (Datum, Unterschrift, Stempel). So hast du einen wasserdichten Nachweis.
Resturlaubsanspruch und Überstunden: Deine Rechte beim Ausscheiden
Als Petra kündigte, hatte sie noch 14 Urlaubstage und 37 Überstunden auf dem Konto. Die Frage war: Was passiert damit?
Urlaubsanspruch
Dein Resturlaub muss grundsätzlich vor dem Ausscheiden genommen werden. Der Arbeitgeber kann jedoch aus betrieblichen Gründen verlangen, dass du noch arbeitest – dann wird der Urlaub ausgezahlt. Petra vereinbarte, die letzten zwei Wochen ihrer Kündigungsfrist als Urlaub zu nehmen. Das gab ihr Zeit, sich auf den neuen Job vorzubereiten und mental umzuschalten.
Beachte: Nicht genommener Urlaub verfällt nicht automatisch. Du hast Anspruch auf Abgeltung. Das gilt selbst für Urlaub aus dem Vorjahr, sofern er nicht rechtmäßig verfallen ist.
Überstunden und Zeitguthaben
Bei Überstunden ist die Lage komplizierter. Wenn in deinem Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag eine Regelung zur Überstundenabgeltung steht, hast du einen Anspruch. Ansonsten kann es Verhandlungssache sein. Markus, der Developer, hatte 63 Überstunden. Sein Arbeitgeber bot an, sie in der Kündigungsfrist abzubauen. Markus lehnte ab – er wollte lieber bleiben und seine Projekte ordentlich übergeben. Am Ende wurden 40 Stunden ausgezahlt, 23 verfielen, weil sie laut Vertrag als "durch Gehalt abgegolten" galten.
Dokumentiere deine Überstunden sorgfältig. Screenshots aus Zeiterfassungssystemen, E-Mails über Wochenendarbeit, Projektdokumentationen – all das kann als Nachweis dienen.
Die Übergabe: Verantwortung zeigen bis zum letzten Tag
Die Art, wie du deine Aufgaben übergibst, sagt viel über deine Professionalität aus. Petra erstellte eine detaillierte Übergabedokumentation – und erntete Respekt dafür.
Strukturierte Übergabedokumentation erstellen
Petras Übergabemappe war vorbildlich:
- Projektübersicht: Aktueller Stand aller laufenden Projekte, Deadlines, Verantwortliche
- Kontaktliste: Wichtige Ansprechpartner intern und extern mit Telefonnummern, E-Mails, Notizen zur Kommunikation
- Zugangsdaten: Passwörter für Systeme, Accounts, Datenbanken (ordnungsgemäß verschlüsselt übergeben)
- Offene To-dos: Was noch erledigt werden muss, Prioritäten, Empfehlungen
- Prozessbeschreibungen: Wie bestimmte wiederkehrende Aufgaben ablaufen, wo Informationen zu finden sind
- Lessons Learned: Was in Projekten gut lief, was man beim nächsten Mal anders machen sollte
Wissenstransfer organisieren
Biete aktiv Übergabegespräche an. Petra blockierte in ihren letzten drei Wochen feste Zeitfenster für Kollegen, die Fragen hatten. Sie führte Einführungsmeetings für ihre Nachfolgerin durch und stellte sicher, dass kritisches Wissen nicht mit ihr das Unternehmen verließ.
Michael, ein Controller, machte das Gegenteil. Er war beleidigt über die Reaktion auf seine Kündigung und hielt Informationen zurück. "Sollen sie doch selbst sehen, wie sie klarkommen." Drei Monate später erfuhr er, dass sein ehemaliger Chef bei einer Branchenveranstaltung schlecht über ihn gesprochen hatte. Die Welt ist klein – besonders in Fachkreisen.
Erstelle Video-Tutorials für komplexe Prozesse oder Software-Workflows. Das ist besonders wertvoll, wenn deine Nachfolge erst nach deinem Ausscheiden startet. Nutze Tools wie Loom oder OBS Studio für Screen-Recordings mit Audiokommentaren.
Arbeitszeugnis verhandeln: Dein Recht auf gute Noten
Das Arbeitszeugnis ist dein beruflicher Fingerabdruck. Ein schlechtes Zeugnis kann dir jahrelang schaden. Ein sehr gutes öffnet Türen.
Dein gesetzlicher Anspruch
Du hast Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis, das deine Leistungen und dein Verhalten bewertet. Der Arbeitgeber muss es "wohlwollend" formulieren – aber zwischen den Zeilen gibt es Spielraum. Codes, Auslassungen, subtile Formulierungen – im Arbeitszeugnis ist nichts zufällig.
Die Geheimsprache der Arbeitszeugnisse
Als Petra ihr erstes Zeugnis-Entwurf erhielt, stand dort: "Sie erledigte ihre Aufgaben zu unserer Zufriedenheit." Klingt gut? Ist es nicht. Das entspricht der Note 4 – ausreichend. Petra bat um eine Überarbeitung und erhielt dann: "Sie erledigte ihre Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit." Das ist eine 1.
Hier die wichtigsten Abstufungen:
- Note 1 (sehr gut): "stets zur vollsten Zufriedenheit", "in jeder Hinsicht außerordentlich"
- Note 2 (gut): "stets zur vollen Zufriedenheit", "in jeder Hinsicht und bester Weise"
- Note 3 (befriedigend): "zur vollen Zufriedenheit", "zur vollsten Zufriedenheit"
- Note 4 (ausreichend): "zur Zufriedenheit", "im Großen und Ganzen"
- Note 5 (mangelhaft): "im Wesentlichen", "war bemüht"
Achte auf Auslassungen
Manchmal ist das Problem nicht, was drinsteht, sondern was fehlt. Wenn bei einer Führungskraft nichts über Führungsqualitäten steht, ist das ein Warnsignal. Wenn die Zusammenarbeit mit Kollegen unerwähnt bleibt, lesen zukünftige Arbeitgeber heraus: "War wohl ein Einzelgänger oder schwierig."
Den Zeugnisentwurf aktiv mitgestalten
Warte nicht passiv auf das Zeugnis. Biete an, selbst einen Entwurf zu erstellen oder zumindest Stichpunkte zu liefern. Viele Arbeitgeber sind froh darüber – es spart Zeit und Arbeit. Petra lieferte eine strukturierte Liste ihrer Projekte, Erfolge und Verantwortlichkeiten. Ihr Vorgesetzter nutzte das als Grundlage, ergänzte es um die Bewertungsformulierungen – und beide waren zufrieden.
Wann du rechtlich vorgehen kannst
Falls dein Arbeitszeugnis offensichtlich ungerecht oder falsch ist, hast du drei Jahre Zeit, um dagegen vorzugehen. Thomas erhielt ein Zeugnis mit der Formulierung "Er war tüchtig und wusste sich gut zu verkaufen." Das klingt positiv, ist aber ein versteckter Code für "Großmaul ohne echte Substanz". Thomas wehrte sich mit anwaltlicher Hilfe und bekam ein korrigiertes Zeugnis.
Online-Zeugnis-Check: Es gibt spezialisierte Portale und Anwälte, die Arbeitszeugnisse analysieren. Für 50-150 Euro bekommst du eine detaillierte Bewertung und Verbesserungsvorschläge. Bei wichtigen Positionen ist das gut investiertes Geld.
Das Abschlussgespräch: Exit-Interview als Chance
Manche Unternehmen führen Exit-Interviews durch – Gespräche mit ausscheidenden Mitarbeitern, um Feedback zu sammeln. Petra wurde zu einem solchen Gespräch eingeladen und stand vor der Frage: Ehrlich sein oder diplomatisch bleiben?
Den nächsten Job sichern: Ein Jobwechsel ist der perfekte Zeitpunkt, um Interview-Skills aufzufrischen. Trainiere mit KI-Feedback und starte selbstbewusst in dein neues Kapitel.
Die Balance zwischen Offenheit und Klugheit
Petra entschied sich für konstruktive Kritik. Sie sprach Probleme an, aber sachlich und lösungsorientiert: "Die Projektmanagement-Software hat uns oft ausgebremst. Ein Update oder ein Wechsel könnte die Effizienz deutlich steigern." Statt: "Das Tool ist totaler Schrott, und ich verstehe nicht, warum wir das noch nutzen."
Sie lobte auch: "Die flexiblen Arbeitszeiten und die Möglichkeit zum Homeoffice habe ich sehr geschätzt. Das ist ein echter Pluspunkt für die Mitarbeiterbindung."
Was du aus dem Exit-Interview mitnehmen kannst
Das Exit-Interview ist auch für dich eine Chance. Stelle Fragen:
- "Gibt es noch offene Punkte bezüglich meiner Abrechnung oder Dokumente?"
- "An wen kann ich mich wenden, falls nach meinem Ausscheiden noch Fragen auftauchen?"
- "Wie sieht es mit Alumni-Netzwerken oder Kontaktmöglichkeiten aus?"
Manche Unternehmen pflegen ein Alumni-Netzwerk. Das kann für zukünftige Kooperationen, Empfehlungen oder sogar eine Rückkehr relevant sein. Petra trat dem Alumni-Netzwerk ihres alten Arbeitgebers bei – zwei Jahre später vermittelte sie von dort einen Kandidaten für eine offene Stelle und bekannte sich öffentlich positiv zu ihrem Ex-Arbeitgeber. Das festigte ihren guten Ruf.
Brücken bauen statt verbrennen: Die unsichtbaren Konsequenzen
Die Geschichte von Michael, der beleidigt kündigte, hat ein Nachspiel. Ein Jahr später bewarb er sich bei einem größeren Unternehmen. Der neue potenzielle Arbeitgeber kannte seinen alten Chef – sie saßen gemeinsam im Vorstand eines Branchenverbands. Ein informelles Gespräch später war Michaels Bewerbung Geschichte. Er erfuhr nie offiziell davon, aber die Zusammenhänge waren klar.
Dein professioneller Ruf ist dein Kapital
In Deutschland ist fast jede Branche kleiner, als man denkt. Software-Entwicklung? Da kennt jeder jeden, spätestens auf der zweiten Konferenz. Marketing in München? Die Senior-Leute wechseln zwischen denselben Agenturen und Unternehmen. Maschinenbau im Mittelstand? Familienstrukturen und alte Seilschaften überall.
Petra verstand das. Sie blieb freundlich, professionell und hilfsbereit bis zum letzten Tag. Als sie ging, verabschiedete sich das ganze Team von ihr, ihr Vorgesetzter schrieb eine persönliche Dankes-Mail, und ihre ehemaligen Kollegen vernetzten sich auf LinkedIn mit ihr. Sechs Monate später fragte ein ehemaliger Kollege nach ihrer Meinung zu einem Projekt – und empfahl sie danach als Consultant für ein Kurzzeitprojekt. 8.000 Euro Honorar für zwei Wochen Arbeit.
Die 48-Stunden-Regel
Was auch immer dir auf der Zunge liegt in den letzten Tagen – warte 48 Stunden, bevor du es aussprichst. Diese Regel hätte Michael viel erspart. Als sein Vorgesetzter eine abfällige Bemerkung über seine Kündigung machte, wollte Michael sofort zurückschießen. Er hielt sich zurück. Zwei Tage später war der Ärger verraucht, und er konnte nüchtern entscheiden: nicht antworten, professionell bleiben.
Vertragsklauseln prüfen: Wettbewerbsverbot, Geheimhaltung, Rückzahlungen
Thomas, der Marketing Manager, hatte seinen Arbeitsvertrag jahrelang nicht mehr angesehen. Als er kündigte, um zu einem direkten Konkurrenten zu wechseln, bekam er ein Problem: In seinem Vertrag stand eine Wettbewerbsklausel. Ein Jahr lang durfte er nicht für direkte Konkurrenten arbeiten – oder er musste eine Vertragsstrafe von 50.000 Euro zahlen.
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote
Solche Klauseln sind unter bestimmten Bedingungen zulässig, aber der Arbeitgeber muss dir während der Sperrfrist mindestens 50% deines letzten Gehalts als Karenzentschädigung zahlen. Thomas verhandelte: Sein Arbeitgeber verzichtete auf das Wettbewerbsverbot gegen einen Verzicht auf die Entschädigung. Beide Seiten waren zufrieden.
Rückzahlungsklauseln für Fortbildungen
Hast du eine teure Weiterbildung absolviert, die der Arbeitgeber finanziert hat? Oft gibt es Rückzahlungsklauseln, die eine gestaffelte Rückzahlung vorsehen, wenn du innerhalb einer bestimmten Frist kündigst. Sandra, eine Sachbearbeiterin, hatte ein Jahr zuvor einen SAP-Kurs für 4.500 Euro gemacht. Laut Vertrag musste sie bei Kündigung im ersten Jahr 100%, im zweiten Jahr 50% zurückzahlen. Sie kündigte nach 14 Monaten – und musste 2.250 Euro zurückzahlen. Sie hätte sechs Wochen länger warten können, um das zu vermeiden.
Geheimhaltungsvereinbarungen
Geheimhaltungspflichten gelten meist über das Arbeitsverhältnis hinaus. Das betrifft Geschäftsgeheimnisse, Kundendaten, Entwicklungsprojekte. Petra war sich dessen bewusst und sprach in ihrem neuen Job kein Wort über spezifische Projekte, Zahlen oder Strategien ihres alten Arbeitgebers. Damit schützte sie sich rechtlich und bewies Integrität.
Vorsicht bei LinkedIn-Posts: Ein unbedachter Post à la "Endlich weg von Firma XY, jetzt wird alles besser bei Firma Z!" kann rechtliche Konsequenzen haben (Rufschädigung) und deine Reputation ruinieren. Social Media ist öffentlich – verhalte dich entsprechend.
Betriebsmittel zurückgeben: Laptop, Handy, Firmenwagen
An Petras letztem Arbeitstag hatte sie eine Checkliste vorbereitet: Laptop, Diensthandy, Zugangskarten, Schlüssel, Firmenkreditkarte, Parkausweis. Alles ordentlich zurückgegeben gegen Unterschrift. So simpel – und doch machen hier viele Fehler.
Was alles zurück muss
- IT-Ausstattung: Laptop, Handy, Tablets, Dockingstations, Headsets, externe Festplatten
- Zugänge: Schlüssel, Zugangskarten, Parkplatz-Transponder
- Dokumente: Unterlagen, USB-Sticks, Notizen (auch digitale Kopien löschen!)
- Firmenwagen: Vollgetankt, gereinigt, mit allen Papieren
- Firmenkreditkarten, Tankkarten, Bonuskarten
Der Firmenwagen: Sonderfall mit Tücken
Markus hatte einen Firmenwagen – einen Audi A4 Avant, den er auch privat nutzte. Laut Vertrag musste er ihn am letzten Arbeitstag zurückgeben. Problem: Sein neuer Arbeitgeber stellte erst nach einer Woche ein Fahrzeug bereit. Markus verhandelte eine Übergangslösung – er durfte den Wagen eine Woche länger behalten gegen Zahlung einer pauschalen Nutzungsgebühr. Hätte er das nicht geklärt, wäre er eine Woche lang ohne Auto gewesen.
Private Daten sichern und löschen
Auf dem Dienst-Laptop sind oft private E-Mails, Fotos, Dokumente. Sichere diese vor der Rückgabe – aber lösche sie dann vollständig vom Gerät. Die IT-Abteilung wird das Gerät ohnehin neu aufsetzen, aber du willst nicht, dass persönliche Daten in fremde Hände geraten.
Mache Screenshots oder Fotos von allen zurückgegebenen Gegenständen und dem Rückgabeprotokoll. Falls später Diskussionen aufkommen ("Sie haben den Laptop beschädigt zurückgegeben"), hast du Beweise.
Nach der Kündigung: Kontakt halten und Netzwerk pflegen
Drei Monate nach ihrem Wechsel schrieb Petra eine kurze Mail an ihr altes Team: "Hallo zusammen, ich hoffe, es geht euch gut! Wollte mich nochmal bedanken für die tolle Zeit. Falls jemand mal in München ist, meldet euch gern zum Kaffee. Alles Gute für eure Projekte!"
Eine kleine Geste – mit großer Wirkung. Ihre ehemaligen Kollegen schätzten das. Zwei von ihnen wurden später selbst zu wichtigen Geschäftskontakten für Petra.
LinkedIn und berufliche Netzwerke nutzen
Vernetze dich auf LinkedIn mit ehemaligen Kollegen, Vorgesetzten, Kunden (sofern das nicht gegen Wettbewerbsklauseln verstößt). Interagiere gelegentlich mit ihren Posts, gratuliere zu Beförderungen, teile relevante Inhalte. Bleib präsent, ohne aufdringlich zu sein.
Alumni-Veranstaltungen und Branchenevents
Manche Unternehmen veranstalten Alumni-Treffen. Nutze sie. Du triffst alte Bekannte, erfährst, wie sich das Unternehmen entwickelt hat, und erweiterst dein Netzwerk. Petra traf auf einer solchen Veranstaltung einen ehemaligen Praktikanten, der mittlerweile Teamleiter bei einem Startup war – und anderthalb Jahre später ein lukratives Projekt an Petra vermittelte.
Die Tür bleibt offen
Manchmal kommt man zurück. "Boomerang Employees" – Mitarbeiter, die zurückkehren – werden in vielen Unternehmen geschätzt. Sie kennen die Strukturen, bringen neue Erfahrungen mit und brauchen wenig Einarbeitung. Petra denkt nicht daran, zurückzukehren, aber sie würde die Tür nicht zuschlagen. Wer weiß, was in fünf Jahren ist?
Checkliste: Die letzten Wochen im alten Job
Damit du nichts vergisst, hier die ultimative Checkliste für deine letzten Wochen:
Rechtliches und Formales:
- Kündigungsfrist prüfen und Kündigungstermin berechnen
- Schriftliche Kündigung verfassen und übermitteln (Einschreiben/persönlich mit Empfangsbestätigung)
- Resturlaub klären und beantragen
- Überstunden dokumentieren und Abbau/Auszahlung klären
- Arbeitszeugnis anfordern (bestenfalls Entwurf mitgestalten)
- Lohnabrechnung für letzten Monat prüfen
- Vertragsklauseln prüfen (Wettbewerbsverbot, Rückzahlungen, Geheimhaltung)
Übergabe und Abschluss:
- Übergabedokumentation erstellen
- Projekte und Aufgaben an Kollegen/Nachfolger übergeben
- Wichtige Kontakte und Zugangsdaten dokumentieren und übergeben
- Abschlussgespräch/Exit-Interview wahrnehmen
Betriebsmittel:
- Alle Firmengegenstände zurückgeben (Laptop, Handy, Schlüssel, etc.)
- Private Daten vom Dienstgerät sichern und löschen
- Firmenwagen übergeben (vollgetankt, gereinigt)
- Rückgabeprotokoll unterschreiben und Kopie aufbewahren
Netzwerk und Beziehungen:
- Verabschiedungs-Mail an wichtige Kontakte und Kollegen
- LinkedIn-Vernetzung mit ehemaligen Kollegen
- Persönliche Kontaktdaten austauschen (privat, nicht betrieblich)
- Alumni-Netzwerk beitreten, falls vorhanden
Für den neuen Job:
- Bescheinigung über Resturlaub für neuen Arbeitgeber
- Bescheinigung für Krankenkasse und Rentenversicherung anfordern
- Arbeitszeugnis für Bewerbungsunterlagen optimieren
- Lessons Learned für dich selbst notieren: Was lief gut, was nicht?
Schlussgedanken: Professionalität zahlt sich aus
Petra sitzt heute in ihrem neuen Büro bei TechVision. Der Wechsel war anstrengend, aber er hat sich gelohnt. Sie ist glücklich mit ihrer Entscheidung. Und sie ist stolz darauf, wie sie gekündigt hat: respektvoll, professionell, mit intakten Brücken.
Als sie letzte Woche auf einer Konferenz war, traf sie zufällig ihre ehemalige Chefin. Statt eines peinlichen Moments gab es ein herzliches Gespräch, einen Kaffee danach und den Austausch über aktuelle Projekte. "Wir haben deine Stelle gut nachbesetzt", sagte die Chefin, "aber deine Übergabe war so gut, dass es fast zu einfach war." Sie lachten beide.
Das ist die Kraft einer professionellen Kündigung. Du gehst mit erhobenem Haupt, mit gutem Gewissen und mit einem Netzwerk, das dich unterstützt statt dir Steine in den Weg zu legen.
Michael, der beleidigte Kündiger, hat diese Erfahrung nicht gemacht. Seine Geschichte ist anders verlaufen – und er zahlt noch heute den Preis für verbrannte Brücken.
Deine Kündigung ist nicht das Ende. Sie ist ein Übergang. Gestalte ihn klug.
Bereit, deine Interview-Skills zu testen?
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